Ich sitze am Tisch und warte auf eine Freundin. Als der Kellner mit meinem Kaffee kommt, schaue ich kurz auf, bedanke mich und tippe wieder auf meinem Bildschirm. Mal eben noch Insta checken, eine Mail schreiben und die Einkaufsliste für Morgen machen. Durchschnittlich 88 Mal starrt der Handynutzer am Tag auf sein Smartphone. Und das eben auch im Café oder beim Essen mit Freunden. Deshalb haben einige Kölner Gastronomen nun ein Handyverbot eingeführt, manche Cafés verbieten sogar Laptops. Aber ist das wirklich sinnvoll oder einfach nur überzogen? "Es geht um die Achtung vor den anderen, die mit mir hier essen", sagte Vincent Moissonnier, Inhaber des Zwei-Sterne-Restaurants "Le Moissonnier" in Köln der Zeitung Express. Bei ihm gibt es ein striktes Handyverbot. Auf der ersten Seite der Speisekarte prangt ein dickes, durchgestrichenes Handy – und wer nicht spurt, den weist der Chef auch persönlich gern zurecht. Die Gäste sollen sich einander und nicht ihrem Handy zuwenden, findet er. Das Ganze erinnert ein wenig an eine Werbekampagne eines großen Soft-Drink-Herstellers: Zu sehen sind dort Menschen, die eine Halsmanschette tragen – und plötzlich nicht mehr auf ihr Handy schauen können. Auf einmal sehen sie ihre Kinder am Frühstückstisch, den Sitznachbarn in der Bahn oder den Kollegen beim Meeting – weil der Blick eben nicht mehr runter aufs Display geht. Sicherlich ein wenig überzogen, aber wer sich in seiner Umgebung mal wirklich umschaut (oder auf sein eigenes Verhalten mit dem Smartphone achtet), dem kommt dieses Verhalten doch ein wenig bekannt vor. Das Smartphone gehört mittlerweile zum alltäglichen Leben dazu. Als Wecker, auf dem Weg zu Arbeit, auf der Arbeit, beim Treffen mit Freunden. Überall wirft man mindestens mal einen kurzen Blick auf das Display. Auch mir geht das so. Wenn ich mein Handy morgens zu Hause liegen lasse (was wirklich so gut wie nie vorkommt) beschleicht mich sofort Panik. Was ist, wenn mich jemand anruft oder eine Freundin fragt, ob ich heute Abend Zeit habe? Warte ich nicht noch auf eine wichtige Mail? Und damit bin ich offensichtlich nicht allein: Laut einer britischen Studie fühlten sich fast die Hälfte der Teilnehmer schlecht, wenn sie ihr Mobiltelefon nicht dabei hatten – manche verfielen sogar in Angstzustände. Aber mal ehrlich – wie oft verpasst man einen wirklich wichtigen Anruf, weil man mal ein paar Stunden nicht auf sein Handy schaut? Und auch die Freundin wird einen noch weiter mögen, wenn man ihr erst später absagt. Natürlich ist es toll, dass wir mittlerweile in jeder Not-Situation ein Handy bereit haben, dass der Schlüsseldienst auch mitten in der Nacht zu erreichen ist, wenn man nicht zu Hause reinkommt und die Nachbarn mit dem Schlüssel schon schlafen und man die beste Freundin anrufen kann, wenn das Leben gerade aus dem Ruder läuft. Doch durch all die anderen Funktionen neben dem Telefonieren, den Apps für soziale Netzwerke, für den Weg zur nächsten Bar oder dem Busfahrplan, vergessen wir oft, auch mal unsere Umgebung und unser Gegenüber wahrzunehmen – und damit wertzuschätzen. Da nehme ich mich nicht aus. Wenn ich Freunde treffe, ist es ganz normal, dass das Handy auf dem Tisch liegt. Das höfliche "Entschuldige, das muss ich mal dringend beantworten", ist für die meisten schon längst Normalität. Wir widmen einem kleinen Elektrokasten mehr Aufmerksamkeit als Freunden und Familie – und finden das normal. Macht ja schließlich jeder. Doch der Wunsch, immer informiert und erreichbar zu sein, hat sogar Einfluss auf unsere Leistungen. Unsere Konzentrationsfähigkeit reduziert sich bereits, wenn das Smartphone nur in Sicht- oder Reichweite liegt, fanden Studien heraus. Denn das Gehirn versucht plötzlich krampfhaft, sich nicht vom Handy ablenken zu lassen und verwendet alle Energie darauf. Und eben nicht auf das Gegenüber. Und abgesehen davon ist es doch einfach unglaublich unhöflich gegenüber dem Freund oder der Freundin, dem Kellner und den anderen Gästen. Eigentlich wissen wir das alle – und machen es trotzdem. Wenn also ein Handy-Verbot in Restaurants nötig ist, um die Menschen wieder mehr in die Realität zu holen, könnte ich gut damit leben. Wer unbedingt telefonieren will, kann ja gern vor die Tür gehen. Manchmal braucht es eben den Druck von Außen, um Dinge zu verändern. Dass das funktionieren kann, beweist das Rauchverbot. Noch vor zehn Jahren dachten alle, sie könnten ohne Zigaretten in geschlossenen Räumen niemals leben. Heute treffen sich die Raucher solidarisch vor der Tür oder am Raucherpilz, man murrt gemeinsam über die alten Zeiten – aber alle überleben die rauchfreien Stunden ziemlich gut (und viele auch deutlich gesünder). Das Rauchen hat die Welt deshalb nicht eingestellt, und auch die deutsche Kneipenkultur ist nicht zu Grunde gegangen. Aber geht es hier nicht eigentlich darum, dass andere mir vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe? Beim Rauchverbot ist es der Staat, in Köln sind es die Gastwirte. Wer sich darüber aufregen möchte, bitte. Solange es kein Gesetz wie beim Rauchverbot gibt, steht es jedem Restaurantbesitzer frei, in seinen Räumen ein Handyverbot zu verhängen – ob ich mitmache oder nicht, liegt dann bei mir, denn ich kann entscheiden, ob ich in diesem Restaurant noch essen möchte. Doch anstatt mich gegängelt zu fühlen, ist es vielleicht einfach mal ein sinnvoller Anstoß, über den eigenen Umgang mit dem Handy nachzudenken. Die meisten der Kölner Gastronomen sagen, dass die Reaktion der Leute positiv sei. Viele sind sogar dankbar für den unfreiwilligen Handy-Detox. Einziges Manko: Keiner kann direkt Fotos bei Insta hochladen und sekundengenau berichten, wie toll das Essen ist. Was für ein Verlust.